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Wie freiwillig ist Selbstoptimierung?

Teil 5: Liebe Soziologen, bitte kein Coach-Bashing, nicht alle gehören zum neoliberalen Mainstream!

Soziologen wie Erich Ribolits unterstützen - vermutlich, ohne es zu wollen - das negative Menschenbild der Neoliberalen, die der Ansicht sind, dass in dem Fall, wenn Erwerbslose zu viel Geld bekommen, diese aufgrund ihrer Faulheit nicht mehr arbeiten würden, da sie davon ausgehen, dass der Mensch von Natur aus faul sei und er erst einen Leidensdruck brauche, um aktiv zu werden.

Seiner Meinung nach helfen Coachs den Menschen dabei, bequem für die Obrigkeit zu sein und es sich in ungerechten Systemen so gut es geht, einzurichten, sich Zivilcourage abzugewöhnen, sich Resilienz anzutrainieren, um alle Zumutungen aushalten zu können und es ok zu finden, Menschen im Stich zu lassen. Schließlich grenzt man sich ja nur ab, um kein Burnout zu bekommen, oder?

Sicher haben einige Coachs diese Tendenz, wie ich selbst auch schon von Klienten erfahren habe. Es gibt jedoch auch Coachs, die ihre Klienten zu Zivilcourage ermuntern und ihnen auch zeigen, dass es ok ist, sich gegen Ungerechtigkeit zu wehren. Darüber hinaus zeigen sie ihnen, dass es nicht ausreicht, sich zusammenzutun und über die Bösen da oben jammern, sondern auch konkret etwas zu tun und nach Möglichkeiten zu suchen, sich politisch einzumischen. Dazu zähle ich mich. Einen Klienten, der schon mehrfach übelst am Arbeitsplatz gemobbt wurde, habe ich beim Schreiben einer Petition unterstützt. Er bekam dadurch Kontakt zu Politiker*innen. Einer von ihnen verhalf ihm zu einem Job. Nun hat er endlich eine Möglichkeit, mobbingfrei zu arbeiten. Einen Teilerfolg gab es auch - Cybermobbing ist strafbar geworden. Das zeigt, dass politische Einmischung erfolgreich sein kann. Zudem sage ich meinen Klient*innen, dass sie sich ruhig trauen können, sich zu wehren und sich auch einzumischen, wenn Kolleg*innen am Arbeitsplatz Unrecht geschieht, auch, wenn sie dann gefeuert werden sollten. Kein Job auf dieser Welt ist es wert, sich dafür seine Gesundheit ruinieren zu lassen. Sicher ist Hartz IV wenig Geld, doch es ist nicht so wenig, dass man verhungert und verdurstet. Also führt Zivilcourage nicht zu Not und Elend.

Sie sind dann auch nicht an ihrer Arbeitslosigkeit „selbst Schuld“, sondern haben sich bewusst für faires Verhalten entschieden. Die Verantwortung dafür trägt dann der Chef, der entweder selbst ein Narzisst ist oder der sich leider von einem solchen manipulieren ließ. Werte wie Fairness und Gerechtigkeit hatten in diesem Unternehmen jedenfalls keinen Platz. Dabei ist es so, dass die Mitarbeiter*innen sich stärker mit Unternehmen identifizieren und auch motivierter bei der Arbeit sind, wenn sie denken, dass ihr Arbeitsplatz ein Ort ist, an dem man fair behandelt und wertgeschätzt wird.

Victim Blaming vergiftet Seelen

Das Toxische am Coachverhalten ist Victim Blaming. Es kann bei sehr kooperativen Menschen, die Harmonie lieben und es allen recht machen wollen, zu einer regelrechten Selbstoptimierungssucht und einer ständigen Selbstanklage führen. Da sie durch den Vorwurf „Selbst Schuld“ gelernt haben, dass sie mithilfe eines perfekten Verhaltens Menschen steuern können, sodass diese das Mobbing einstellen und das Gegenteil tun, nämlich die Karriere fördern, übertreiben sie es gewaltig mit der Selbstoptimierung, nur, damit sie sich selbst sagen können, dass sie an ihrem Arbeitsplatzverlust eben nicht Schuld sind, da sie sich bis zur völligen Erschöpfung verausgabten und exzessive Selbstausbeutung betrieben. Das ist dann keine selbstbestimmte Selbstoptimierung mehr, sondern sich durch Manipulation eines solchen Coachs einem krank machenden Leistungsdruck auszusetzen und sich massiv selbst zu überfordern. Leider hört der Täter dennoch nicht mit dem Mobbing auf – im Gegenteil. Er ist nämlich neidisch, weil der sich selbst Optimierende nun nahezu perfekt geworden zu sein scheint.

Ursachen für Victim Blaming

Warum kommt es zur Täter-Opfer-Umkehr? Einen soziopathischen Charakterzug bei den Leuten, die das tun, zu unterstellen, ist ja auch nicht angemessen. Melanie Deutmeyer hat im Jahr 2006 eine Dissertation zum Thema „Belastungen und Bewältigungsstrategien von erwachsenen Töchtern in der häuslichen Pflege von körperlich und geistig kranken Müttern und Vätern“ veröffentlicht. Auf S. 71 schreibt sie: „Vorwürfe gegen traumatisierte Personen und Verantwortungszuschreibungen (‚blaming the victim’, vgl. Janoff‐Bulman, 1982; Lerner, 1965; Ryan, 1971) sind keine seltenen Phänomene. Solche Verantwortungszuschreibungen sind auf zwei grundlegende Motive zurückzuführen: Das Bedürfnis, an eine Welt glauben zu können, die sich durch Gerechtigkeit auszeichnet und das Bedürfnis, daran zu glauben, dass das Schicksal kontrollierbar ist (vgl. z.B. Lerner, 1980; Montada, 1988). Menschen, die Opfer traumatischer Ereignisse wurden, bedrohen offenbar diesen ‚Gerechte‐Welt‐Glauben’. Die Verantwortungszuschreibungen und die Schuldvorwürfe gegen Opfer (‚Du hast selbst Schuld, dass Dir das zugestoßen ist’) bedeuten eine Distanzierung von der betroffenen Person, aber auch eine Abwertung derselben. Auf diese Weise können die Nicht‐Opfer ihren Glauben an eine gerechte Welt aufrechterhalten und die bedrohliche Vorstellung abwenden, selbst Opfer solcher Ereignisse zu werden (Weinstein, 1982, 1984).“

Diese Art von Coachs wollen also an eine gerechte Welt und eine 100%ige Steuerung des eigenen Lebens glauben. Glück und Zufall sind demzufolge nicht existent. Also müsste auch ausnahmslos alles klappen, was sie ihren Klient*innen raten.

Die Verantwortungszuschreibungen von Seiten der An-eine-gerechte-Welt-Glauber in Bezug auf Menschen, die traumatisiert wurden, sind auch auf alle Menschen übertragbar, die durch Intrigen und Mobbing ihren Arbeitsplatz verloren haben, bei Hartz IV landeten und nun von einer restriktiven Bewilligung von Weiterbildungen und Umschulungen betroffen sind. Diese Menschen sind nicht deswegen in einer misslichen Situation, weil sie so dysfunktionale Verhaltensweisen an den Tag legen oder so furchtbar hinderliche Glaubenssätze entwickelten, sondern, weil es Paragraphen im SGB II gibt, die Hartz IV Empfänger*innen adäquate Weiterbildungen oder Umschulungen verweigern und das politisch so gewollt ist. Vielleicht sollten einige Coachs mal einen Blick ins SGB II werfen, bevor sie ihre auf dem Arbeitsmarkt benachteiligten Klient*innen mit solchen steilen Thesen wie angeblich karrierehinderlichen Glaubenssätzen konfrontieren. So einfach ist es nämlich nicht. Ich habe Menschen kennen gelernt, die am Arbeitsplatz gemobbt wurden, die alles andere als schwierig oder nervig oder faul waren. Diese haben sich immer sozialverträglich und professionell verhalten, einen guten Job gemacht und man konnte sich immer auf sie verlassen. Sie wurden gemobbt, obwohl sie sich richtig verhalten haben!

Sicher kann man eine Ursache darin sehen, dass sie beim hochnarzisstischen Täter Neid erweckten. Ein Beispiel: Die Mitarbeiterin sieht sehr gut aus, ist intelligent, kann sich eloquent ausdrücken und ist auch noch nett und hilfsbereit. Allerdings stand sie nicht als Sexobjekt zur Verfügung, da sie glücklich verheiratet ist. Wie sollen dann die Tipps von einem Coach ausfallen? Soll sie sich verunstalten, damit sie nicht zu gut aussieht? Soll sie sich dumm stellen? Soll sie zum weiblichen Arschloch mutieren und so wie der Narzisst werden? Soll sie sich begrabschen lassen? Das ist doch absurd!



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Ute Albrecht
Bewerbungsberaterin


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