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Wie freiwillig ist Selbstoptimierung?

Warum glauben wir, uns ständig selbst verbessern zu müssen? Müssen wir das wirklich oder wollen wir das auch? Ist es vielleicht sogar beides - wir wollen und müssen?

Die Soziologin Greta Wagner ist während des Schreibens ihrer Dissertation „Selbstoptimierung: Praxis und Kritik von Neuroenhancement“ auf die Frage gestoßen, warum die Motivation für Selbstoptimierung in der bioethischen Literatur nicht hinterfragt wurde. Die Autoren gingen davon aus, dass Menschen schon immer versucht hätten, besser zu werden und das zur menschlichen Natur gehöre.

Ritalin für Einsen im Studium, um danach einen Job zu bekommen?

Sie hat durch die Befragung von Studierenden, die ohne Verschreibung und medizinische Notwendigkeit Medikamente wie z. B. Ritalin konsumierten, um sich besser konzentrieren zu können sowie von Studierenden, die das nicht taten, herausgefunden, dass deren Motivation Authentizität sei. Sie beschreiben sich als erfolgreiche Studierende, die (sehr) gute Studienleistungen erbringen können und wollen ihr ganzes Potenzial nutzen. Die Medikamente sehen sie als Hilfsmittel dazu. Auch die Nichtkonsument*innen haben eine positive Einstellung zum Thema Selbstoptimierung - sie verwenden zum Neuroenhancement nur andere Methoden (gesunde Ernährung, Sport, genügend Schlaf, Achtsamkeit, Meditation, einen strukturierten Tagesablauf, Zeitmanagement, etc.)

Der Körper - eine einzige Problemzone?

Als die Soziologin sich mit dem Thema allgemeiner beschäftigte, stieß sie auch auf das Schönheitsverhalten von Mädchen in der Pubertät. Es gab kaum ein Körperteil, das sie nicht noch verschönern wollten und es schien so zu sein, als sähen sie ihren Körper als einzige Problemzone. Natürlich wollen Mädchen, aber auch Jungen attraktiv aussehen, nach der Schule einen guten Job, sich dann bei der Arbeit selbst verwirklichen, beliebt sein und eine glückliche Paarbeziehung führen. Bei den Erwachsenen ist das nicht wesentlich anders.

Neoliberalismus Oder „Wenn du dich nicht selbst optimierst, bis der Arzt kommt, dann kriegst du keinen Job und das ist alleine deine Schuld!“

Greta Wagner macht allerdings auf die Doppelbödigkeit dieser vermeintlich selbstbestimmten Selbstoptimierung aufmerksam. Wir wollen uns selbst optimieren, aber wir müssen es auch. Die Ursache liegt darin, dass sich die Freiheitsgewinne emanzipativer Bewegungen mit einer Verwettbewerblichung der Sozialordnung verbunden hat. In den 70-er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es einen relativ großzügigen Sozialstaat und laut des Soziologen Oliver Nachtwey „soziale Bürgerrechte“, auf die er in seinem Buch „Die Abstiegsgesellschaft“ eingegangen ist. Auf S. 10 seines Buches schreibt er: „Mit der Dauerschwäche der Wirtschaft schwanden die Ressourcen und der Wille zur sozialen Integration. Öffentliche Unternehmen gerieten unter Privatisierungsdruck, der Sozialstaat wurde umgebaut, die sozialen Bürgerrechte wurden reduziert.“ In dieser Zeit, als die sozialen Bürgerrechte noch nicht so stark reduziert wurden, konnten Menschen, die erwerbslos wurden, sich darauf verlassen, dass ihre physische Existenz gut gesichert war. Das hat sich in den letzten 30 Jahren stark geändert. Eine Tendenz zum Sozialabbau machte sich bereits bemerkbar, als Helmut Kohl am 1. Oktober 1982 Bundeskanzler wurde und sein Projekt der „geistig-moralischen Wende“ begann. Der soziale Druck auf Arbeitslose wuchs. Der Neoliberalismus mit seiner Kultur der Selbstzuständigkeit erodierte den Sozialstaat und auch die Solidarität zwischen den Menschen. Das gipfelte in der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 durch die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder, der im Jahr 1998 Bundeskanzler wurde.

Um den Sozialabbau zu rechtfertigen, wurde Victim Blaming betrieben. Das taten nicht nur Politiker*innen, sondern auch Lehrer*innen, wenn sie nicht gerade zu den 68-ern gehörten, Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen, Psychotherapeut*innen und Coachs. Letztere lernten in ihren Ausbildungen, dass Ratschläge Schläge seien, dass Menschen, die die Retterrolle annehmen, unprofessionell seien, dass sie ihre Klienten dazu anregen sollten, eine positive Einstellung zu ihrer als belastend empfundenen Situation zu entwickeln und es einzusehen, dass sie andere nicht ändern können, sondern nur sich selbst. Aha, die Situation des Klienten ist also gar nicht belastend, sondern er fühlt und denkt sie sich nur falsch, also müsse er einfach mal positiv denken, das mithilfe der „Interventionen“ des Coachs lernen und dann führt der Klient ein geiles Leben, oder? Wenn Sie jetzt denken, dass das Realsatire ist, dann liegen Sie richtig 😉.

Manche Coachs scheinen auch gelernt zu haben, alle Probleme auf mangelnde Selbstliebe herunterzubrechen und strukturelle soziale Probleme zu individualisieren. Sie nahmen die Ideologie des Neoliberalismus unreflektiert auf, anstatt auch mal soziologische Bücher zu lesen.



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Ute Albrecht
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